Computer aller Art sind für die meisten Menschen heute aus ihrem privaten und beruflichen Alltag nicht mehr wegzudenken. Die Verwendung von Internetbrowsern, E-Mail-, Textverarbeitungs- oder Tabellenkalkulationsprogrammen ist genauso selbstverständlich wie die Benutzung von ganz unterschiedlicher Anwendersoftware für spezielle berufliche Bedürfnisse wie die Verwaltung wichtiger Daten oder das Erstellen technischer Konstruktionspläne. Viele Anwendungen, Webseiten und elektronische Dokumente weisen für Menschen mit Beeinträchtigungen jedoch Hindernisse völlig oder sehr unterschiedlicher Art auf.
Das Ziel der IT-Barrierefreiheit ist es, diese Hindernisse aufzuheben, um einen gleichberechtigten und uneingeschränkten Zugang für alle Anwender sicherzustellen. Wir befassen uns seit inzwischen über 30 Jahren mit Fragen der Barrierefreiheit in der IT und wollen Ihnen in diesem und dem nächsten Newsletter einen Überblick über dieses vielschichtige Thema geben.
„Behinderung“ – was ist das eigentlich genau?
Wenn man festhält, dass sich die IT-Barrierefreiheit mit den Auswirkungen verschiedener Beeinträchtigungen in Bezug auf die Arbeit mit IT-Systemen befasst, mit dem Ziel, eine gleichberechtigte und uneingeschränkte Nutzung zu ermöglichen, stellte sich natürlich zunächst die Frage nach dem Begriff „Behinderung“. Wie wird der Begriff definiert? Und vor allem, wie wirken sich die unterschiedlichen Behinderungen auf die Arbeit mit dem PC aus?
Schon eine kurze Internetrecherche zur Frage, was genau der Begriff „Behinderung“ bezeichnet, bringt eine ganze Reihe von Definitionen, die teilweise sehr ähnlich klingen, sich oft ergänzen, sich bisweilen aber auch widersprechen können. Vor allem auf Grund ihrer Wirkmacht sollen an dieser Stelle zwei Definitionen hervorgehoben werden: Zum einen die Definition der UN-Behindertenrechtskonvention und zum anderen diejenige des deutschen Sozialgesetzbuchs.
Bereits in ihrer Präambel hält die UN-Behindertenrechtskonvention fest, dass der Begriff „Behinderung“ einem stetigen Wandel unterliegt. In Art. 1 Abs. 2 wird dann aufgeführt wer zu den „Menschen mit Behinderungen“ zählt: „Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilnahme an der Gesellschaft hindern können.“
Das deutsche Sozialgesetzbuch definiert im Buch IX § 2 Abs. 1 „Menschen mit Behinderungen“ folgendermaßen: „Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.“
In ihrer grundsätzlichen Aussage gleichen sich beide Definitionen, teilweise sind sie sogar wortgleich, wobei das SGB über die UN-Behindertenrechtskonvention hinaus noch eine zeitliche Komponente einbringt und den Begriff „Beeinträchtigung“ präzisiert. Auffällig und im Sinne der Barrierefreiheit interessant ist dabei, dass beide Definitionen „Behinderung“ nicht als eine Eigenschaft des betroffenen Menschen bestimmen, sondern als ein Zusammenspiel zwischen den Beeinträchtigungen einer Person einerseits und den Barrieren, die von außen an diese Person herangetragen werden, andererseits.
Welche Arten von Behinderungen gibt es?
Ganz grob lassen sich Behinderungen in drei Gruppen unterteilen. Je nachdem, welchen Bereich des Körpers sie betreffen, kann zwischen sensorischen, motorischen und mentalen Behinderungen unterschieden werden. Dabei schließen sich die unterschiedlichen Arten von Behinderungen jedoch nicht gegenseitig aus, sondern können immer auch Teil einer Mehrfachbehinderung sein.
Als sensorische Behinderungen werden Beeinträchtigungen der Sinne (v.a. Sehen, Hören, Tasten) verstanden, also etwa Sehbehinderungen, Blindheit, Schwerhörigkeit oder Gefühlsstörungen. Unter den motorischen Behinderungen werden Beeinträchtigungen gefasst, welche die vollständige Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates einschränken, wie zum Beispiel Lähmungen, fehlende oder missgebildete Gliedmaßen, aber auch ein Tremor. Mentale oder geistige Behinderungen beschreiben in der Regel Einschränkungen der Intelligenz und damit verbunden der geistigen Fähigkeiten, die je nach Schwere ein selbständiges Leben und Arbeiten wenig bis sehr stark beeinträchtigen können.
Menschen sind in ihren Fähigkeiten grundsätzlich verschieden. Nicht alle Menschen sehen oder hören gleich gut oder sind zu den gleichen motorischen Leistungen in der Lage. Eine leichte Sehschwäche in Form einer Kurz- oder Weitsichtigkeit oder eine etwas verminderte Feinmotorik machen aber noch keine Behinderung aus. Zum einen wird zum Beispiel eine einhundertprozentige Seh- oder Hörfähigkeit ohnehin nur von den wenigsten Menschen erreicht, noch sind sie für die meisten Alltagstätigkeiten notwendig, zum anderen lassen sich diese geringen Einschränkungen meist mit einfachen Mitteln, etwa einer Brille, kompensieren. Aus diesem Grund ist es wichtig zu definieren, ab welchem Einschränkungsgrad eine Beeinträchtigung beginnt, die besondere Hilfsmittel erfordert, damit die betroffene Person in der Lage ist, den beruflichen und privaten Alltag selbständig und unabhängig zu meistern.
Da wir bei Papenmeier uns auf die Arbeitsplatzausstattung für Blinde und Sehbehinderte spezialisiert haben, sollen diese im Folgenden im Fokus stehen.
Was ist eine Sehbehinderung?
Üblicherweise wird unter einer Sehbehinderung eine Einschränkung der Sehfähigkeit verstanden. Sehbehinderungen sind vielfältig und unterscheiden sich stark in ihrer Ausprägung wie auch in der Art bzw. dem Umfang der Beeinträchtigungen, die sie auf das Gesichtsfeld einer Person haben. Grundsätzlich können Sehbehinderungen Menschen jeden Alters betreffen, vom Neugeborenen bis zum Senioren, wobei aber der Anteil sehbehinderter Menschen mit zunehmendem Lebensalter steigt.
Zur Bestimmung einer Sehbehinderung wird üblicherweise der sogenannte Visus herangezogen. Der „Visus“, auch „zentrale Sehschärfe“ genannt, bezeichnete die Fähigkeit des menschlichen Auges, zwei nahe beieinanderliegende Punkte als einzelne Objekte wahrnehmen zu können. Er wird üblicherweise als Prozentwert angegeben, wobei 100% der Optimalwert ist. Normalsichtige erreichen in der Regel einen Visus von 80 - 100%, um noch ohne Hilfsmittel eine Zeitung lesen zu können, ist ein Visus von mindestens 50% nötig.
Unter diesen Voraussetzungen werden Sehbehinderungen folgendermaßen definiert bzw. unterteilt:
Personen, die auf ihrem besseren Auge nur noch einen Visus von weniger als 30% haben, gelten als „sehbehindert“.
Personen, die auf ihrem besseren Auge nur noch einen Visus von weniger als 10% haben, gelten als „wesentlich sehbehindert“.
Personen, die auf ihrem besseren Auge nur noch einen Visus von weniger als 5% haben, gelten als „hochgradig sehbehindert“.
Es ist an dieser Stelle wichtig zu beachten, dass die Angaben zum Visusrest immer nach Verwendung von Korrekturhilfen, wie etwa Brillen oder Kontaktlinsen, gelten. Das heißt, eine Kurzsichtigkeit oder eine Hornhautverkrümmung, die sich mittels einer Brille beheben lassen, sind keine Sehbehinderung, sondern lediglich ein Sehfehler.
Neben den Visuseinschränkungen führen außerdem Einschränkungen oder Ausfälle des Gesichtsfeldes, die den sichtbaren Bereich gegenüber Normalsichtigen stark verringern, sowie Farbsehschwächen, sowohl für einzelne Farben als aus generell, zu Sehbehinderungen.
Was ist Blindheit?
Ganz allgemein und umgangssprachlich hat jeder wenigstens ein vages Verständnis von „Blindheit“. Ein Mensch, der temporär oder dauerhaft nichts sehen kann, wird normalerweise als „blind“ bezeichnet. Dieses umgangssprachliche Verständnis gibt zwar eine grobe Richtung vor, ist aber für fachliche oder gar juristische Zwecke wesentlich zu ungenau. Ab wann sieht ein Mensch ‚nichts‘ mehr? Wenn er nur noch Schemen wahrnehmen kann? Wenn er nur noch hell und dunkel unterscheiden kann? Wenn er wirklich absolut gar nichts mehr sehen kann?
Diese Ungenauigkeit wird umgangen, indem „Blindheit“ gesetzlich genauso wie „Sehbehinderung“ über den Visus bzw. den Visusverlust definiert wird. Nach §72 Abs. 5 SGB XII gelten Menschen, „deren Gesamtsehschärfe nicht mehr als ein Fünfzigstel [2%] beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen“, als blind bzw. blinden Menschen gleichgestellt. Nach Schätzungen auf Grundlage der Merkzeichen im SBA und den Blindengeldbeziehern leben in Deutschland aktuell über 155.000 blinde Menschen und jedes Jahr erblinden etwa 10.000 Menschen neu.
Wie wirken sich Behinderungen auf die Arbeit am PC aus?
Die Auswirkungen, welche Behinderungen auf die Arbeit am PC haben, sind vielfältig und können individuell sehr verschieden sein. Sie hängen zum einen von der Art der Beeinträchtigung ab, zum anderen aber auch von der einzelnen Person, das heißt, selbst Personen mit denselben Einschränkungen haben nicht zwangsläufig dieselben Schwierigkeiten im Umgang mit einem PC. Die persönlichen Einschränkungen können sowohl die Eingabe- als auch die Ausgabeseite der PC-Arbeit betreffen, wobei dies nicht gegenseitig exklusiv ist, das heißt einige Einschränkungen betreffen sowohl die Eingabe als auch die Ausgabe.
Moderne Computer funktionieren überwiegend visuell. Das Betriebssystem und die Anwendersoftware verfügen über grafische Oberflächen; Icons und Symbole bezeichnen Funktionen und Schaltflächen platzsparend und trotzdem präzise; Bedeutung von Eingabefeldern und Anzeigen wird über optische Relationen generiert und gesteuert wird alles ganz überwiegend mit der Maus, die der Anwender frei über den Bildschirm bewegen kann.
Der Fokus auf eine optische Darstellung ist für blinde und sehbehinderte Anwender jedoch problematisch, da sie je nach Grad ihrer Einschränkung große Schwierigkeiten haben können, die ausgegebenen Informationen zu erfassen: Die Bildschirmanzeige erscheint zu klein oder unscharf, Symbole und Grafiken sind nicht mehr erkennbar, Gesichtsfeldausfälle machen es schwierig, rein optische Beziehungen zwischen Elementen zu erkennen, Farbsehschwächen lassen rein farbliche Markierungen verschwinden, blinkende oder wechselnde Anzeigen reizen die ohnehin schon strapazierten Augen noch mehr. Die Liste ließe sich vermutlich beliebig fortsetzen, doch es soll an dieser Stelle nur ein grober Eindruck davon vermittelt werden, wie vielfältig und individuell die Probleme sind, denen Blinde und Sehbehinderte bei Bildschirmausgaben immer wieder begegnen.
Die Schwierigkeiten betreffen jedoch nicht nur die Ausgabeseite der PC-Arbeit, sondern gerade bei starker Sehbehinderung oder Blindheit auch die Eingabeseite: Mit zunehmender Sehbehinderung wird die Bedienung des PCs mit einer Maus immer schwieriger. Zwar kann sie bewegt werden, aber ohne oder nur mit sehr eingeschränkten visuellen Orientierungsmöglichkeiten auf dem Bildschirm fehlen sowohl der Überblick als auch das Gefühl für die Bewegungsrichtung, um die Maus gezielt und effektiv einsetzen zu können. Viele Anwendungen sind jedoch für die Bedienung per Maus optimiert, was blinde und stark sehbehinderte Benutzer immer wieder vor Probleme stellt, denn sie steuern sowohl das System als auch die einzelnen Anwendungen anders.
„Barrierefreiheit“ – wie geht das?
Trotz der beschriebenen Schwierigkeiten ist der PC auch und gerade für blinde und sehbehinderte Menschen zu einem der wichtigsten Informationsmedien geworden und bedeutet für sie eine große Chance auf eine gleichberechtigte Teilhabe am ersten Arbeitsmarkt. Aus diesem Grund ist die Realisierung eines barrierefreien Arbeitsumfeldes unumgänglich und in Zukunft von immer größerer Bedeutung. Im kommenden Newsletter werden wir Ihnen umfangreiche Informationen geben, wie wir Barrierefreiheit am Arbeitsplatz für unsere Kunden erreichen.
Sie interessieren sich schon jetzt dafür, warum das so ist und welche technischen und organisatorischen Möglichkeiten es gibt, auch ihre Anwendungen barrierefrei zu gestalten? Freuen Sie sich auf unseren nächsten Newsletter oder wenden Sie sich direkt an uns. Gerne analysieren wir Ihre Systeme und Anwendungen mit Ihnen, zeigen Schwierigkeiten auf und entwickeln Lösungsstrategien.
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