Vom 12.-14. Oktober fand zum 20. Mal die Soester Fachtagung statt. Die Veranstaltung mit vielen spannenden Vorträgen stand ganz unter dem diesjährigen Motto „Brailleschrift Update – Gilt noch Punkt vor Sprich?“. Unser Fachbereichsleiter RehaTechnik, Herr Bruno Behrendt, war dabei und stellt Ihnen nun seine Eindrücke vor.
Vorweg
Fachtage bedeuten häufig ein Fachpublikum, das sich über die neuesten Entwicklungen, Kenntnisse und eigenen Erfahrungen austauschen, während nicht unmittelbar betroffene Besucher eher selten sind. Dies war bei den 20. Soester Fachtagen nicht so. Ich war überrascht, dass nicht nur viele Betroffene den Weg nach Soest gefunden hatten, sondern auch sehr viele junge Lehrer/-innen, Ausbilder/-innen, Studenten/-innen und Praktikanten/-innen, neben den etablierten Blinden- und Sehbehindertenpädagogen/-ginnen ihr freies Wochenende in das Thema Braille investiert hatten. Und lassen Sie es mich vorwegnehmen, es war eine Investition!
Das vielfältige Programm zwang den Besucher sich zwischen den unterschiedlichsten Inhalten zu entscheiden. Das vollständige Programm der Soester Fachtagung finden Sie unter: https://www.dbsv.org/aktuell/soester-fachtagung-2018.html
Selbst für jemanden wie mich, der sich seit mehr als 30 Jahren mit dem Thema Braille speziell in der Ausbildung und dem Berufsleben auseinandersetzt, gab es interessante Vorträge und Workshops in Menge. Im Folgenden einfach ein paar aus meiner Sicht interessante Infos aus Teilen der besuchten Vorträgen und Workshops.
Zukunft der Brailleschrift – Forschungsergebnisse zu Lese- und Schreibkompetenzen
Referenten: Dr. Markus Lang, Dr. Ursula Hofer
Vorgestellt wurden die Ergebnisse des Forschungsprojekts ZuBra
Für mich wesentliche Ergebnisse:
Es ist für Blinde wichtig ihre Hörkompetenz ebenso zu trainieren wie ihre Braillekompetenz um Informationen möglichst schnell aufnehmen zu können
Sehende lesen 120-250 Worte pro Minute
Blinde lesen in Braille im Durchschnitt 59,4 Worte pro Minute
Spitzen-Brailleleser/-innen kommen auf 128 Worte pro Minute
Das Leseverstehen beim Braillelesen steigt mit der Geschwindigkeit des Braillelesens
Hörerfasstes wird nicht wesentlich schlechter verstanden als über Braille erfasstes
Je mehr Braille gelesen wird, desto besser wird die Rechtschreibung
„Punkte-Info“ – Infos zur Brailleschrift und zu Hilfsmitteln
Referentin: Petra Aldridge
Der Vortrag / Workshop zeigte Materialien und Systematiken zum Thema Braille. Von Informationen zur überarbeiteten Deutschen Braillekurzschrift bis zu neuen Braillebüchern für blinde Kinder mit ergänzenden taktilen Materialien. Die Informationen zum überarbeiteten Regelwerk der deutschen Kurzschrift sowie weitere allgemeine und spezielle aktuelle Brailledefinitionen wie zu Musik, Chemie, etc. finden Sie auf der Webseite des Brailleschrift Komitees: http://www.bskdl.org/
Multimediale Lernpakete für den Unterricht an weiterführenden Schulen
Referent: Dr. Tobias Mahnke
MuLi -Multimediale Lernmaterialien - Der Vortrag zeigte auf, wie auch blinde und sehbehinderte Schüler/-innen aktiv an einem spannenden naturwissenschaftlichen Unterricht teilhaben können (ich hätte mir einen solch engagierten Unterricht in der eigenen Schulzeit gewünscht).
Viele Materialien sind für Träger kostenlos beziehbar!
Einsatz der Brailleschrift im Beruf
Referent: Michael Große-Drenkpohl
Der Vortrag zeigte aus meiner Sicht ein wenig optimistisches Bild der blinden Menschen im Beruf. In Stichpunkten:
Es gibt rund 300-400 blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen im Bereich des LWL, die im Arbeitsprozess stehen
Viele klassische Arbeitsplätze fallen weg oder werden durch für Blinde nicht bedienbare Plätze ersetzt (früher klassische Vermittlung heute D115 mit unübersichtlichen Informationsquellen)
Die Brailleschrift würde fast ausschließlich von geburtsblinden Menschen erfolgreich genutzt. Hier allerdings zu nahezu 100%
Bei späterblindeten Menschen hingegen, seien die Leseleistungen im Wesentlichen so schlecht, dass sie kaum hilfreich seien. Die bildenden Einrichtungen sollten hier ein deutlich höheres Gewicht auf die Sprachausgabe legen. Dieser Aussage widersprachen Teilnehmer/-innen aus dem Kreis der Bildungsträger.
Der begleitende IFD für Blinde und Sehbehinderte im LWL beschäftigt 21 Mitarbeiter
Der E-Buch-Standard (nicht e-book) – Was ist das?
Referenten: Barbara Henn, Dirk Hattenhauer
Seit dem Jahr 2007 arbeiten die Medienzentren der Förderschulen Sehen bundesweit bei der Übertragung von Schulbüchern und anderen Texten zusammen. Zunächst wurden die Texte lediglich als rtfc-Dateien zur Verfügung gestellt und ausgetauscht. Häufig waren jedoch Nachbearbeitungen erforderlich. Daher verständigten sich die Medienzentren 2016 auf einen Standard für die Formatierung der Dokumente: den E-Buch-Standard. In diesem Workshop wurden die Teilnehmenden mit diesem Standard vertraut gemacht und in die Arbeit mit ihm eingeführt. Wie erstelle ich eine Datei im E-Buch-Standard, und welche unterrichtlichen Möglichkeiten bieten die in dieser Form aufgearbeiteten Dokumente?
Handbuch zur Erstellung / Notation und Word AddIn unter: http://Augenbinde.augenbit.de (Michael Schäffler) Zurzeit ist die Seite aus Datenschutzgründen in der Überarbeitung
Eine Übersicht über die bereits verfügbaren Schulbücher liegt auf dem Bildungsserver des Landes Hessen unter https://braille.bildung.hessen.de/
Abschließende Podiumsdiskussion und Zusammenfassung
Die abschließende Podiumsdiskussion zwischen verschiedenen blinden Anwenderinnen und Anwendern zeigte, dass die Brailleschrift für alle Teilnehmer ein wesentliches, wenn auch bei weitem nicht das alleinige Medium zur Informationsbeschaffung darstellt. Damit wurden die Ergebnisse des einleitenden Vortrags klar belegt.
Die Tagung fand in einer sehr angenehmen Atmosphäre statt. Das Engagement, die vielen jungen Teilnehmer und die individuellen Ansätze, die eine Vielzahl moderner Medien nutzt, geben mir trotz aller Herausforderungen die Überzeugung, dass die Blindenbildung auf einem guten Weg ist. Und Bildung ist, wie wir alle wissen, die Voraussetzung für ein erfolgreiches Berufsleben!
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